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31.08.2018

Kirchenführer mit Leib und Seele

Foto: Asbach-Beringer

Die Wallfahrtskirche Heilig Kreuz im malerischen Schambachtal ist die Wirkstätte von Walburga Wagner. Nicht nur als Mesnerin sondern auch als Kirchenführerin engagiert sie sich dort. Foto: Asbach-Beringer

Kundige Einheimische zeigen Besuchern die vielen Schätze der Gotteshäuser in der Region.

Kirchen sind die Wahrzeichen unserer Dörfer und Städte, Zufluchtsorte, ein Stück Heimat. Ganz gleich, ob imposant und bedeutsam oder eher klein und unscheinbar: Jedes Gotteshaus hat seinen eigenen Reiz und birgt besondere Botschaften. Ausgestattet mit zahlreichen Kunstwerken und Ornamenten, erzählt es seine ganz eigenen Geschichten.

Diese werden von den vielen Kirchenführern in unserem Bistum gerne und mit Leidenschaft vermittelt – so auch von Elisabeth Graf, Konrad Kögler und Walburga Wagner. „Religion, Kunst und Kultur sind mein Leben“, antwortet Elisabeth Graf aus Eichstätt auf die Frage, warum sie Kirchenführerin geworden ist. Die Bildhauertätigkeit ihres Mannes hat sie und die beiden Söhne entscheidend mit geprägt. Und so verwundert es auch nicht, dass – wenn auch eher zufällig – im Atelier von Wieland Graf im Jahr 1982 alles begann. Damals war Prälat Andreas Bauch wieder einmal in der Künstlerwerkstatt zugegen. Der Professor für Geschichte und Kunstgeschichte hatte im selben Jahr das hiesige Diözesanmuseum mit ins Leben gerufen und war gerade auf der Suche nach Museumsführern.

„Ihm ist mein kunstgeschichtliches Interesse aufgefallen“, erzählt Elisabeth Graf, „und so fragte er mich, ob ich Museumsführungen übernehmen würde.“ Das Ganze sei schon mit einer gewissen
Aufregung verbunden gewesen, so Graf, schließlich habe sie kein Studium in Kunstgeschichte vorweisen können. Führungen waren ebenfalls Neuland für sie. Doch Bauch sah darin kein
Problem: Er führte die Kandidaten durchs Museum und erzählte ihnen alles Wissenswerte. Graf schrieb fleißig mit und verfügte schnell über die notwendigen Kenntnisse. Die didaktische Umsetzung ging sie ebenfalls ganz pragmatisch an. „Ich habe meine Führungen zunächst probehalber vor meinen Söhnen gehalten. Die waren damals in der Pubertät und erwiesen sich daher als ehrliche Kritiker, die Vieles angemahnt haben“, erinnert sich Graf lachend.

Kurz darauf ließ sie sich auch zur Stadtführerin ausbilden. Der Dom war zu dieser Zeit eines der großen Themen, und bis heute führt Graf gerne durch die Eichstätter Kathedrale. Die Willibaldsfigur von Loy Hering und der Pappenheimer Altar gehören zu ihren Lieblingskunstwerken, doch am meisten schätzt sie das zweischiffige Mortuarium, das im Südosten an die Kirche anschließt. „Diese Reinheit der Konstruktion hat etwas Faszinierendes“, erläutert Graf. „Um die Schönheit eines Kunstwerkes sowie die Absicht, die dahinter steckt, in einer Führung herauszuarbeiten, braucht es viel Fingerspitzengefühl“, weiß die Domführerin zu berichten. „Man darf nichts aufoktroyieren. Manchmal muss man auch einfach damit zufrieden sein, dass jemand aus dem Kreis der Zuhörer zunächst sagt: So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen, dann aber nach fünf Minuten die Kirche verlässt, weil es ihm oder ihr zu viel wird.“

Kinderführungen haben es Graf besonders angetan, die Reaktionen der Kleinen bringen es oft auf den Punkt, stellte sie wiederholt fest. Einmal habe sie sich alle Mühe gegeben, die Kennzeichen einer Bischofskirche herauszuarbeiten. Als sie abschließend ganz kindgerecht fragte, wer nun also der Chef dieser Kirche sei, antwortete ein Junge blitzschnell: „Das ist doch klar, der liebe Gott natürlich.“

Seit seiner Kindheit ist Konrad Kögler in der Dorfkirche St. Peter in Petersbuch, einem Ortsteil von Titting, fest verwurzelt. Das Amt des Mesners lag bereits über hundert Jahre auf dem Elternhaus, als sein Bruder um 1950 die Aufgabe übernahm. „Damit war natürlich die ganze Familie eingespannt. Egal ob vier Mal am Tag per Hand läuten oder die Uhr aufziehen – es gab immer etwas zu tun“, erinnert sich Kögler.

„Auch bei den Werktagsgottesdiensten fungierte ich oft als Hilfsmesner oder las am Sonntag Nachmittag eine Andacht“, berichtet er. So war der Bezug zur Kirche schon immer da, ohne dass er sich zunächst für die Kunstgegenstände besonders interessiert hätte. „Die Kirche war halt schön“, beschreibt Kögler sein damaliges kindliches Empfinden für das Gotteshaus.

Erst als er begann, sich als Heimatforscher mit der Geschichte des Dorfes intensiver zu beschäftigen, rückte auch die Innenausstattung der Kirche mehr in sein Blickfeld. „Besonders wertvoll war die Entdeckung einer Rechnung von 1831 für die barocke Orgel aus der Zeit um 1700, weil dadurch erst ihre Herkunft bekannt wurde.“ Das Instrument stammte aus Nürnberg. „So kam ein Mosaiksteinchen zum anderen, schließlich konnte man einiges über die Kirche erzählen.“

Vor ein paar Jahren dann trat man mit der Bitte an Konrad Kögler heran, gelegentlich Führungen durch die Kirche anzubieten. 2017 war es dann im Rahmen des 300-jährigen Kirchenjubiläums so weit. Als Grundlage diente ihm der gedruckte Kirchenführer, den er selbst anlässlich des Jubiläums verfasst hatte, basierend auf den Inventarbeschreibungen des Eichstätter Diözesanmuseums. „Seitdem sehe ich die Kirche mit ganz anderen Augen und zeige sie je nach Bedarf und Wunsch gerne auch Interessierten“, erzählt der pensionierte Gymnasiallehrer.

Sein Lieblingsgemälde in der Kirche ist die Kopie des Mariahilfbildes von Lucas Cranach auf dem linken Seitenaltar. Engelchen, die sich eher am Bild einzuhalten scheinen bis auf das untere, das mit hochrotem Kopf suggeriert, allein die Last zu tragen, bringen das Marienbild von der unten dargestellten Dreiflüssestadt Passau in die Kirche. An der Darstellung der Muttergottes fällt gegenüber dem Original auf, dass sie ihren Blick nicht mehr allein dem Kind, sondern eher dem Betrachter zuwendet.

Grundsätzlich sind die Führungen immer auf den Zuhörerkreis abzustimmen“, meint Kögler. „Mit zu vielen Jahreszahlen und kunstgeschichtlichen Fachbegriffen überfordert man die Besucher meistens.“ Viel wichtiger sei es, die Aussagekraft der Bilder und Statuen zu vermitteln. Nicht von ungefähr findet sich im Auszug des Marienaltars das Motiv „Maria lernt lesen“, das einst als Ansporn für die Mädchen zu verstehen war, die unterhalb in den Bänken saßen.

Walburga Wagner aus Schambach bei Kipfenberg ist mit Begeisterung Kirchenführerin, wie sie sagt. Angefangen hat alles im Jahr 1983, nachdem Pfarrer Andreas Heindl verstorben war. „Er hatte einen großen Bekanntenkreis und hielt immer mal wieder Führungen in Schambach in der Wallfahrtskirche Heilig Kreuz. Zum Glück war ich damals des Öfteren dabei und konnte mir etwas Wissen aneignen“, erinnert
sich Wagner, die seit 1977 als Mesnerin tätig ist.

Da zudem in den 1980er-Jahren der Übernachtungstourismus für das kleine Urlauberdorf eine große Rolle spielte, wurde Wagner bald vom Fremdenverkehrsverein gebeten, die Kirchenführungen zu übernehmen. Sie sagte bereitwillig zu, musste sich aber erst gründlich in die Thematik einarbeiten, was sich als aufwändig erweisen sollte. „Ich habe einige Bücher gelesen, und mit der Zeit kamen immer mehr Informationen hinzu“, erzählt die Mesnerin und merkt an: „Wenn man etwas gerne tut, macht man sich auch gerne die Mühe, das ist dann nicht weiter schlimm.“

Später erfuhr Wagner vom Kirchenführerkurs, den das Bistum Eichstätt regelmäßig anbietet. „Am Anfang hatte ich schon eine gewisse Scheu“, gesteht Wagner. „Ich dachte mir: Da machen bestimmt lauter pensionierte Lehrer mit, als einfache Frau bin ich dort fehl am Platz.“ Erst 2003 rang sie sich zur Teilnahme durch. Sie fühlte sich in der Gruppe sofort wohl. Besonders stolz ist Wagner, dass es schon einmal eine Exkursion für Kirchenführer in die Schambacher Kirche gab und sie selbst dabei als Referentin fungierte.

Bei jeder Führung in Schambach zählt das Präsentieren des monstranzähnlichen Kreuzes mit dem Kreuzpartikel, welches in der Kirche normalerweise nicht zu sehen ist, zu den Höhepunkten. Interessant findet Wagner die Einwürfe der Teilnehmer bei den Führungen. Einmal wies sie auf die Gemälde von der Vertreibung aus dem Paradies und vom Jüngsten Gericht an der Brüstung der Empore hin. Ein Mann meinte: „Das soll wohl gleich als Mahnung an den Kirchgänger verstanden werden: Wenn du jetzt das Gotteshaus verlässt und deinen Alltagsgeschäften nachgehst, achte darauf, nach Gottes Wort zu handeln, sonst ergeht es dir wie Adam und Eva oder den Frevlern beim Jüngsten Gericht.“ Die Interpretation gefiel Wagner so gut, dass sie diese seitdem in ihre Führungen mit einbaut.

Bis heute kommen viele Busse ins Schambachtal, und nicht selten steht für die Touristen eine Kirchenführung auf dem Programm. Wenn es die Gesundheit zulässt, wird Walburga Wagner auch die nächsten Jahrzehnte durch „ihre“ Kirche führen – ihre Motivation ist jedenfalls ungebrochen.

Theresia Asbach-Beringer/bb, Kirchenzeitung Nr. 35 vom 2. September 2018

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