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27.10.2017

Es geht um die Liebe

Foto: Erich Kraus

Herzensschlösser: Äußeres Zeichen einer tiefen inneren Verbindung. Foto: Erich Kraus

„Mama, wir haben die gleichen Gefühle“, verkündete meine dreijährige Nichte Paola stolz am Frühstückstisch. „Das ist aber schön“, freute sich ihre Mutter. Obgleich sich wenig später herausstellte, dass Paola meinte,dass ihre Tasse und die ihrer Mutter gleich „gefü(h)llt“ waren, hat mich dieser Satz doch berührt. Die gleichen Gefühle haben, das spricht für eine tiefe innere Verbindung, wie sie zwischen Liebenden oder eben auch zwischen Kindern und ihren Eltern erfahren werden kann. Sie entsteht dann, wenn ich „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all meinen Gedanken“ beim anderen bin, mich auf ihn einlasse und mich von seiner (oder ihrer) Sicht der Dinge anrühren lasse. 

Es ist ein Aspekt von Liebe, über die Jesus im heutigen Evangelium spricht. Die gleichen Gefühle haben – das geschieht nur dann, wenn sich zwei Personen auf ein wechselseitiges Geschehen einlassen und einander teilhaben lassen, was sie zuinnerst angeht und berührt. Dieses wechselseitige Erleben kann nicht nur zwischen zwei Menschen stattfinden, sondern ist letztlich das entscheidende Beziehungsgeschehen, das den Menschen mit Gott verbindet. Als Liebender kann Gott gar nicht anders, als den Menschen teilhaben zu lassen an seinen Gefühlen für seine Schöpfung und sich anrühren zu lassen für das, was jeden einzelnen Menschen angeht. Indem er sich dem Menschen entgegenliebt, wird dieser befähigt, selbst liebend schöpferisch tätig zu werden und Verantwortung in dieser Welt zu übernehmen.

Die höchste Form dieser wechselseitigen Liebesbeziehung findet sich in Jesus von Nazareth, in dem Gott selbst Mensch geworden ist. In ihm findet sich die Verwirklichung des zweiten Teils der Antwort, die Jesus den Pharisäern gibt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Mich erstaunt immer wieder, dass Jesus von der Nächstenliebe im Singular spricht. Doch genau das hat er immer vorgelebt in seiner Zuwendung zu einzelnen Menschen. Er liebt jeden wie sich selbst und nimmt jeden einzelnen Menschen mit hinein in seine Liebesbeziehung zum Vater. Ob es Aussätzige, Gelähmte, Zöllner oder Gelehrte sind – immer geht es ihm um den Menschen, der jetzt gerade da ist. In diesen vielen kleinen Begegnungen ist zu spüren, dass Gott jeden einzelnen Menschen so liebt wie seinen eigenen Sohn. Und gerade hier wird auch die Herausforderung dieses Gebots deutlich, das den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Denn der Blick in meinen eigenen Alltag zeigt: Es ist immer einfacher, die ganze Welt zu lieben, als gerade den Menschen, der vor mir steht. 

Dabei geht es hier nicht um ein Gesetz, das stur befolgt werden muss, sondern um die schönste, tiefste und lebendigste Regung, zu der wir Menschen fähig sind: die Liebe. So sollten wir diesen Text auch lesen. In einer Einführung habe ich den wertvollen Hinweis gefunden, wie das heutige Evangelium der Gemeinde vorzutragen ist: „Es geht um die Liebe, Liebe zu Gott und allen Menschen der Erde – die Stimmung sollte den großen und schönen Worten entsprechen: nicht tadelnd oder belehrend, auch nicht pathetisch, sondern einfach liebend.“ Lesen Sie den Text sich selbst einmal in dieser Stimmung vor und spüren Sie nach, was diese Liebes-Worte in Ihnen bewegen.

Cordula Klenk, Kirchenzeitung Nr. 44/45 vom 29. Oktober / 5. November 2017

Dr. Cordula Klenk stammt aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Sie studierte Diplomtheologie  und Lehramt Religionslehre und Musik für  die Realschule. Nach ihrer Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt promovierte sie 2005 in katholischer Theologie. Von 2013-16 war sie Pastoralassistentin in Weißenburg, St. Willibald. Seit Juli dieses  Jahres arbeitet sie als Referentin für die Flüchtlingshilfe im Malteser-Diözesanverband.

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Ort: Katholische Jugendstelle Neumarkt
Veranstalter: Katholische Jugendstelle Neumarkt